
Lebensversicherung vor 2005 vs. ETF-Police: Sollte man die alte Police wirklich behalten?
- Sascha Lux
- 29. Sep. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Okt. 2024
Es gibt eine weit verbreitete Annahme, dass Lebensversicherungen, die vor 2005 abgeschlossen wurden, immer eine gute Anlage sind und daher auf keinen Fall gekündigt werden sollten. Schließlich genießen diese Verträge den Vorteil einer steuerfreien Auszahlung. Doch sollte man in jedem Fall an einer solchen alten Lebensversicherung festhalten? Oder lohnt es sich, die Strategie zu überdenken und das Kapital möglicherweise effizienter zu nutzen? In diesem Blog vergleichen wir eine Lebensversicherung mit 4% garantiertem Zins und 1,5% Effektivkosten mit einer ETF-Police mit nicht garantierten 7% Rendite und 0,7% Effektivkosten. Wir zeigen, warum die Entscheidung nicht immer eindeutig ist.
Der Klassiker: Lebensversicherung vor 2005 mit 4% Garantiezins
Lebensversicherungen, die vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossen wurden, sind steuerlich besonders interessant: Die Auszahlung ist komplett steuerfrei, solange der Vertrag mindestens zwölf Jahre bestanden hat. Zusätzlich bieten viele dieser alten Verträge einen garantierten Zinssatz von 4%. Das klingt auf den ersten Blick sehr attraktiv, insbesondere im heutigen Niedrigzinsumfeld.
Allerdings gibt es auch eine Kehrseite:
• Hohe Effektivkosten: Solche alten Lebensversicherungen haben oft renditemindernde Effektivkosten von etwa 1,5% und mehr. Diese Kosten werden von der Rendite abgezogen und reduzieren somit den garantierten Zins effektiv.
• Begrenzte Flexibilität: Diese Verträge sind wenig flexibel. Anpassungen an der Anlagestrategie sind nur begrenzt möglich, und vorzeitige Auszahlungen führen oft zu hohen Verlusten.
• Inflationsrisiko: Auch wenn ein Garantiezins von 4% attraktiv klingt, ist die reale Rendite nach Inflation oft deutlich niedriger, insbesondere bei steigenden Lebenshaltungskosten.
Garantiezins im Zeitverlauf der letzten 30 Jahre
Der Garantiezins (Höchstrechnungszins) für Lebensversicherungen ist ein wichtiger Faktor, der die Attraktivität von klassischen Lebensversicherungen bestimmt. Während ältere Verträge oft mit garantierten Zinssätzen von bis zu 4% abgeschlossen wurden, sind die Zinsen für neuere Verträge in den letzten 30 Jahren stark gesunken. Hier eine Übersicht über den Verlauf des Garantiezinses:
• 1994: Der Garantiezins wurde auf 4,0% festgelegt. Dieser attraktive Zinssatz galt für viele Jahre und ist bis heute ein Grund, warum alte Verträge als so vorteilhaft angesehen werden.
• 2000: Der Garantiezins sank erstmals auf 3,25%, was die sinkenden Marktzinsen widerspiegelte.
• 2004: Es erfolgte eine weitere Senkung auf 2,75%, die die Renditen dieser Verträge weiter reduzierte.
• 2007: Der Garantiezins wurde auf 2,25% gesenkt.
• 2012: Der Garantiezins sank erneut auf 1,75%.
• 2015: Eine weitere Reduktion erfolgte auf 1,25%.
• 2017: Der Garantiezins wurde auf 0,9% reduziert.
• 2022: Der Garantiezins sank auf 0,25%.
Diese Entwicklung zeigt deutlich, dass neue Lebensversicherungsverträge mit deutlich niedrigeren Garantiezinsen arbeiten als Verträge, die vor 2005 abgeschlossen wurden. Der hohe Garantiezins von 4% bei älteren Verträgen mag auf den ersten Blick sehr attraktiv erscheinen, aber man muss auch die Gesamtkosten und die Auswirkungen auf die Nettorendite berücksichtigen.
Die moderne Alternative: ETF-Police mit (nicht garantierten) 7% Rendite
Eine ETF-Police bietet im Vergleich zu einer klassischen Lebensversicherung deutlich höhere Renditechancen, da das Kapital in einen breit gestreuten ETF investiert wird. Diese Anlageform ist kosteneffizient und ermöglicht langfristig eine attraktive Wertsteigerung. Für unseren Vergleich nehmen wir eine erwartete durchschnittliche jährliche Rendite von 7% an, mit Effektivkosten von 0,7%.
Die wesentlichen Merkmale einer ETF-Police sind:
• Niedrigere Kosten: Die (beim richtigen Anbieter!!) 0,7% Effektivkosten sind deutlich niedriger als die typischen Kosten einer alten Lebensversicherung. Dadurch bleibt mehr von der erzielten Rendite übrig.
• Hohe Renditechancen: Eine durchschnittliche jährliche Rendite von 7% ist realistisch und vorsichtig kalkuliert, wenn das Kapital langfristig und breit diversifiziert in den Aktienmarkt investiert wird. Natürlich ist diese Rendite nicht garantiert und unterliegt Schwankungen, aber über längere Zeiträume hat der Aktienmarkt historisch gesehen solide Erträge geliefert, egal oder gerade wegen den vergangenen Krisen.
• Versteuerung des Ertrags: Die Auszahlung der ETF-Police ist teilweise steuerpflichtig. Konkret muss der Gewinn aus der Anlage zu 42,5% versteuert werden, wenn der Ertrag als Kapitalertrag besteuert wird (25% Abgeltungsteuer plus Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer). Der Einfachheit nehmen wir eine Kapitalauszahlung an, was wir nicht machen sollten, da wir die Steuerbelastukg weiter senken können.
Vergleich: Lebensversicherung vs. ETF-Police
Schauen wir uns die beiden Anlageoptionen im Detail an:
1. Lebensversicherung vor 2005:
• Garantierter Zins: 4%
• Effektivkosten: 1,5%
• Nettorendite: 2,5% (4% - 1,5%)
• Steuerliche Behandlung: komplett steuerfrei
2. ETF-Police:
• Erwartete Rendite: 7%
• Effektivkosten: 0,7%
• Nettorendite: 6,3% (7% - 0,7%)
• Steuerliche Behandlung: 42,5% der Erträge steuerpflichtig
Nun vergleichen wir die Endwerte einer monatlichen Sparrate von 300 Euro über einen Zeitraum von 30 Jahren:
• Lebensversicherung vor 2005:
• Nettorendite: 2,5%
• Endkapital: ca. 167.000 Euro (steuerfrei)
• ETF-Police:
• Nettorendite: 6,3%
• Bruttokapital nach 30 Jahren: ca. 350.000 Euro
• Steuerpflichtiger Anteil (42,5%): ca. 148.750 Euro
• Steuer (25% auf 148.750 Euro): ca. 37.188 Euro
• Endkapital nach Steuern: ca. 312.812 Euro
Fazit: Warum eine Kündigung sinnvoll sein kann
Auf den ersten Blick scheint die alte Lebensversicherung mit ihrem garantierten Zins von 4% und der steuerfreien Auszahlung eine sichere und attraktive Option zu sein. Doch der entscheidende Punkt ist die Nettorendite. Aufgrund der 1,5% Effektivkosten bleibt von den 4% garantierten Zinsen nur eine Rendite von 2,5% übrig. Diese niedrige Nettorendite ist auf lange Sicht nicht konkurrenzfähig, insbesondere wenn man die Inflation berücksichtigt, die die reale Kaufkraft des angesparten Kapitals verringert.
Die ETF-Police bietet zwar keine garantierte Rendite, aber die Möglichkeit einer deutlich höheren Nettorendite von 6,3% nach Kosten. Selbst wenn der Ertrag teilweise versteuert werden muss, bleibt der Endbetrag deutlich höher als bei der alten Lebensversicherung – in unserem Beispiel sogar fast doppelt so hoch.
Der Vergleich zeigt, dass es kein pauschales Argument ist, eine Lebensversicherung, die vor 2005 abgeschlossen wurde, nicht zu kündigen. Eine Kündigung kann durchaus sinnvoll sein, wenn das Kapital in eine renditestärkere Alternative wie eine ETF-Police umgeschichtet wird. Das Potenzial für eine höhere Rendite und die niedrigeren Kosten sprechen für sich.
Es lohnt sich, die Strategie regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, um sicherzustellen, dass das investierte Kapital effizient für den Vermögensaufbau arbeitet. Besonders in Zeiten niedriger Zinsen und hoher Inflation kann eine alte Lebensversicherung trotz Steuerfreiheit eine suboptimale Lösung sein. Es ist daher sinnvoll, alle Optionen offen zu halten und nicht an vermeintlichen „Vorteilen“ festzuhalten, die sich bei genauer Betrachtung als weniger attraktiv erweisen.









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